- Ich will nach Hause!
Ich will nach Hause!sagt ein Berliner in PortoEine ziemlich alltägliche Situation und Geschichte aus Portugal be- und geschrieben von Kaspar ZuckerIch lasse das Breiner Haus hinter mir. Ich gehe die Rua de Rosario RichtungFluss, um mit dem 24er Bus nach Foz zu fahren. Es ist eine lange Fahrt.Mindestens 30 Minuten reine Fahrt. Obwohl es eine schöne Strecke ist,entlang dem Duoro durch die Ribeira bis zur Flussmündung in den Atlantik,unter der Arrabida Brücke durch, kommt es mir immer lang vor. Eine halbeStunde reine Fahrt ist für portuensische Verhältnisse auch nicht kurz, abereigentlich bin ich in Berlin ja mehr gewöhnt. Es ist Freitagnachmittag undich möchte eigentlich nur nach Hause meine Tasche ablegen, ein wenig ruhenund wieder in die Stadt zurück. Eigentlich gibt es heute nichts besonderes,aber wie immer trifft man sich beim “Piolho” (piojo – Laus). Das Café, dassin der Innenstadt am Praca de Gomes Teixerra (Prassa dä gomesteyschera) liegt, ist die erste Anlaufstelle für Studenten, Partyfreudige,Einheimische und die Erasmusstudenten aus aller Welt in, mais ou menos,meinem Alter “to have a beer” und um Informationen über die Veranstaltungendes Abends zu bekommen.Ich sitze an der Haltestelle. Die alte Dame neben mir hat mir den Platzfreigemacht und ihre Tüten auf den Boden gestellt. Wenig später stehen zweiweitere ältere Damen dabei und bald darauf ein Herr in den Fünfzigern, gutgekleidet mit Halbglatze. Keiner sagt was bis die erste Dame sich über denverspäteten Bus mokiert. Innerhalb von zwei Minuten ist aus dieserkurzeitigen Idylle ein Stammtisch geworden. Natürlich ist der Mann amlautesten, und natürlich redet er auch am meisten. Ich verstehe nurBruchstücke von dem, was sie sagen aber der charmante Typ scheint die Damengut zu unterhalten. Sie lachen viel und werden offenbar genauestensinformiert.Der Mann hält einen Busfahrplan in der Hand, tippt mit seinemFinger so doll auf die Ankunftszeit, dass das Informationsblatt eigentlichreißen müsste und schreit dabei, als wolle er den Damen nichts Gutes.Mutti, er war wie Horstmeier. Horstmeier ist ein Freund meiner Mutter, jemandWichtiges beim öffentlichen Rundfunk und wird bei uns immer nur nach demNachnamen genannt. Er wirkt manchmal ein wenig autoritär, aber soweit ichihn beurteile, ist er einer von den Guten, zumindest links. Ich glaube erist arrogant, nicht untypisch für diese Journalisten, und kann auch sehrdominant sein, weiß aber was zu tun ist wenn “Scheiße” ist. “Das Auto hatschon wieder ne Delle? Ruf Horsti an.” heißt es immer.Mittlerweile ist noch ein zweiter, noch älterer Herr dazu gekommen. Er stehtaber nur wortlos auf einmal in der Runde. Als ich mich Minuten später wiederzu ihnen drehe ist er genau so plötzlich auch wieder verschwunden. Der“Horstmeiertyp” ist mittlerweile so außer sich, dass er die Hotline derBusgesellschaft anruft um sich zu beschweren und zu fragen, ob denn der Busnoch komme. Er erläutert der Dame am Telefon, dass er bereits eine Stundewarte und fragt ob es sich denn lohne noch länger zu warten. Ich glaubeaber, nach dem Gespräch ist er so schlau wie vorher.Auf einmal bekommt er einen Anruf seines Vaters, der offenbar sehnsüchtigauf ihn wartet und mit einem kurzen “Armwinker” verabschiedet er sichtelefonierend von seinen Gesprächsgenossinnen. Auch mir wurde es langsam zuviel. Ich war kurz davor die Damen zu fragen, ob man sich nicht ein Taxiteilen solle, aber damit hätte ich wohl das Klischee der schrägenWesteuropäer mehr als erfüllt. Kurzer Hand mache ich mich wieder auf den Wegzurück zum Breiner Haus, lasse meine Tasche bei Kai und verbringe den Restdes Abends dort um direkt von hier aus ins Piolho zu gehen.So ist das manchmal in Portugal.
sagt ein Berliner in Porto
Eine ziemlich alltägliche Situation und Geschichte aus Portugal be- und geschrieben von Kaspar Zucker
Ich lasse das Breiner Haus hinter mir. Ich gehe die Rua de Rosario Richtung
Fluss, um mit dem 24er Bus nach Foz zu fahren. Es ist eine lange Fahrt.
Mindestens 30 Minuten reine Fahrt. Obwohl es eine schöne Strecke ist,
entlang dem Duoro durch die Ribeira bis zur Flussmündung in den Atlantik,
unter der Arrabida Brücke durch, kommt es mir immer lang vor. Eine halbe
Stunde reine Fahrt ist für portuensische Verhältnisse auch nicht kurz, aber
eigentlich bin ich in Berlin ja mehr gewöhnt. Es ist Freitagnachmittag und
ich möchte eigentlich nur nach Hause meine Tasche ablegen, ein wenig ruhen
und wieder in die Stadt zurück. Eigentlich gibt es heute nichts besonderes,
aber wie immer trifft man sich beim “Piolho” (piojo – Laus). Das Café, dass
in der Innenstadt am Praca de Gomes Teixerra (Prassa dä gomes
teyschera) liegt, ist die erste Anlaufstelle für Studenten, Partyfreudige,
Einheimische und die Erasmusstudenten aus aller Welt in, mais ou menos,
meinem Alter “to have a beer” und um Informationen über die Veranstaltungen
des Abends zu bekommen.
Ich sitze an der Haltestelle. Die alte Dame neben mir hat mir den Platz
freigemacht und ihre Tüten auf den Boden gestellt. Wenig später stehen zwei
weitere ältere Damen dabei und bald darauf ein Herr in den Fünfzigern, gut
gekleidet mit Halbglatze. Keiner sagt was bis die erste Dame sich über den
verspäteten Bus mokiert. Innerhalb von zwei Minuten ist aus dieser
kurzeitigen Idylle ein Stammtisch geworden. Natürlich ist der Mann am
lautesten, und natürlich redet er auch am meisten. Ich verstehe nur
Bruchstücke von dem, was sie sagen aber der charmante Typ scheint die Damen
gut zu unterhalten. Sie lachen viel und werden offenbar genauestens
informiert.
Der Mann hält einen Busfahrplan in der Hand, tippt mit seinem
Finger so doll auf die Ankunftszeit, dass das Informationsblatt eigentlich
reißen müsste und schreit dabei, als wolle er den Damen nichts Gutes.
Mutti, er war wie Horstmeier. Horstmeier ist ein Freund meiner Mutter, jemand
Wichtiges beim öffentlichen Rundfunk und wird bei uns immer nur nach dem
Nachnamen genannt. Er wirkt manchmal ein wenig autoritär, aber soweit ich
ihn beurteile, ist er einer von den Guten, zumindest links. Ich glaube er
ist arrogant, nicht untypisch für diese Journalisten, und kann auch sehr
dominant sein, weiß aber was zu tun ist wenn “Scheiße” ist. “Das Auto hat
schon wieder ne Delle? Ruf Horsti an.” heißt es immer.
Mittlerweile ist noch ein zweiter, noch älterer Herr dazu gekommen. Er steht
aber nur wortlos auf einmal in der Runde. Als ich mich Minuten später wieder
zu ihnen drehe ist er genau so plötzlich auch wieder verschwunden. Der
“Horstmeiertyp” ist mittlerweile so außer sich, dass er die Hotline der
Busgesellschaft anruft um sich zu beschweren und zu fragen, ob denn der Bus
noch komme. Er erläutert der Dame am Telefon, dass er bereits eine Stunde
warte und fragt ob es sich denn lohne noch länger zu warten. Ich glaube
aber, nach dem Gespräch ist er so schlau wie vorher.
Auf einmal bekommt er einen Anruf seines Vaters, der offenbar sehnsüchtig
auf ihn wartet und mit einem kurzen “Armwinker” verabschiedet er sich
telefonierend von seinen Gesprächsgenossinnen. Auch mir wurde es langsam zu
viel. Ich war kurz davor die Damen zu fragen, ob man sich nicht ein Taxi
teilen solle, aber damit hätte ich wohl das Klischee der schrägen
Westeuropäer mehr als erfüllt. Kurzer Hand mache ich mich wieder auf den Weg
zurück zum Breiner Haus, lasse meine Tasche bei Kai und verbringe den Rest
des Abends dort um direkt von hier aus ins Piolho zu gehen.
So ist das manchmal in Portugal.
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